„Am besten gefällt mir noch, dass ich das, was ich denke und fühle,
wenigstens aufschreiben kann, sonst würde ich komplett ersticken.“
Anne Frank (aus ihrem Tagebuch vom 16. März 1944)
Kann das Schreiben Heilungsprozesse in Gang setzen?
Seit Mitte der 80er-Jahre haben sich viele wissenschaftliche Studien mit dieser Frage beschäftigt. Einer der bekanntesten Forscher ist James W. Pennebaker. Er hat seine Studienteilnehmer*innen gebeten, ihre schlimmsten Erlebnisse aufzuschreiben. Das sollten sie vier bis fünf Mal pro Woche für 20 Minuten tun. Für viele Teilnehmer*innen ergaben sich als Folge des Schreibens bedeutungsvolle gesundheitliche Verbesserungen. Seine Methode hat die Bezeichnung „expressives Schreiben“ bekommen.
Falls du selbst auch „expressives Schreiben“ ausprobieren möchtest, sind hier ein paar Tipps:
- Suche dir einen bestimmten Zeitpunkt und einen ruhigen Ort aus, wo du nicht gestört wirst.
- Wenn du anfängst zu schreiben, schreibe ohne Unterbrechung für 15 oder 20 Minuten. Verbinde dich dabei mit deinen tiefsten Gefühlen zu einer aufwühlenden Erfahrung in deinem Leben. Denke dabei nicht an Rechtschreibung, Grammatik oder deinen Ausdruck.
- Du kannst handschriftlich oder am Computer schreiben. Falls du nicht schreiben kannst, kannst du deine Erlebnisse auch mündlich erzählen. Das nimmst du dann mit deinem Handy oder dem Computer auf.
- Mache die Übung an vier aufeinanderfolgenden Tagen.
Warnung: Manche Menschen fühlen sich traurig nach dieser Übung. Normalerweise verschwindet das nach einigen Stunden. Wühlt dich das Schreiben sehr auf? Nimmt dich das Thema sehr mit? Dann höre auf zu schreiben oder wähle ein anderes Thema.
Viele Menschen vergessen die Zeit und den Ort, an dem sie sind. Das passiert ihnen, während sie ihre intimsten Gedanken aufschreiben.
Sorge dafür, dass nur du deine Aufzeichnungen siehst. Dadurch kannst du vollkommen ehrlich zu dir selbst sein. Du kannst sie auch wegwerfen, sobald du sie geschrieben hast. Du kannst sie verbrennen, hinunterspülen, in kleine Stücke zerreißen und ins Meer werfen. Was du mit ihnen machst, ist einzig und allein deine Sache.
Bitte vergiss nicht, dass es bestimmt eintausend verschiedene Wege gibt zu schreiben. Ich möchte dich ermutigen, dein*e persönliche*r Wissenschaftler*in zu sein. Probiere aus und finde heraus, was das Richtige für dich ist.
James W. Pennebaker hat einige Bücher darüber geschrieben, wie man mit dem Schreiben sowohl körperliche als auch seelische Gesundheitsprobleme behandeln kann. Dazu gehören Ängste, Depressionen und posttraumatischer Stress. Das Schreiben kann sogar Beziehungen und unser Liebesleben positiv beeinflussen.
Eines seiner Bücher wurde in die deutsche Sprache übersetzt: „Heilung durch Schreiben. Ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe.“ Pennebaker hat dieses Buch speziell für Menschen geschrieben, die mit einem Trauma oder einer emotionalen Krise fertigwerden müssen. Das Buch erklärt, wie Konflikte, Stresssituationen oder schmerzliche Erlebnisse durch das Schreiben verarbeitet werden können. Dadurch können sie letztlich auch überwunden werden.
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Ich schreibe seit Langem an meinen Memoiren, in denen ich von mehreren traumatischen Erlebnissen berichte. Seitdem ich meine Erlebnisse in Worte gefasst habe, belasten sie mich nicht mehr so.
Möchtest du deine Texte mit anderen austauschen? Dann melde dich bei uns unter info@warmherzigebeschuetzer.org.
Wenn sich genug Leute melden, werden wir eine Autor*innengruppe bilden.
Die folgenden Bücher liegen in unserer Geschäftsstelle in der Dudenstraße 10 am Platz der Luftbrücke in Berlin:
- Doris Dörrie (2019): Leben, schreiben atmen: Eine Einladung zum Schreiben
- Silke Heimes (2017): Schreib dich gesund. Übungen für verschiedene Krankheitsbilder
- Paul Henkel (2017): 52 Schreibübungen zum Stressabbau: Mit Achtsamkeit und Gelassenenheit zu einer gesunden Life Balance
- James W. Pennebaker (2019): Heilung durch Schreiben: Ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe
- Klaus W. Vopel (2019): Expressives Schreiben: Ein Programm zur seelischen Immunisierung
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- Christina Baldwin (1991): One to One: Self-understanding through journal writing
- Louise DeSalvo (1999): Writing as a Way of Healing: How Telling our Stories Transforms our Lives
- John Fox (1997): Poetic Medicine: The Healing Art of Poem-Making
- James W. Pennebaker, et al. (2014): Expressive Writing: Words that Heal. Using expressive writing to overcome traumas and emotional upheavals, resolve issues, improve health, and build resilience
- James W. Pennebaker, et. al (2016): Opening Up by Writing It Down: How Expressive Writing Improves Health and Eases Emotional Pain
Komme uns gerne besuchen, falls du die Bücher anschauen willst.